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16. Ein seltsames Duett

„Wir müssen alle Schlüssel mitnehmen und dann schleunigst hier verschwinden.

Einer wird schon auf unser Schloss passen.“ Opa Krausbart keucht unter dem Druck des riesigen Tentakels, in dem er festhängt.

„Aber weißt du was?“ krächzt der Käpt´n „In der Höhle, da hat der Hühnerbein gehustet. Ich hab´s genau gehört. Die neuen Bewohner der Höhle sind Hühnerbein samt Mannschaft. Die haben bestimmt gedacht, der Schatz sei in der Höhle. Ha, sind die blöd!“ freut sich der Käpt´n.

 

„Ja,“ grummelt Opa Krausbart. „<

Wir sind ja auch so viel schlauer.

Wir hängen bloß im Arm des Kraken fest.

Und wenn er untertaucht mit uns,

dann adieu, Piratenleben!“

„Wir müssen hier weg, ob mit oder

ohne Schlüssel!“

 

Lasse denkt angestrengt nach.

Ansgar klemmt immer noch unter

seinem Arm und lauscht der Musik.

 

„Wenn die Höhle schon belegt ist und der

Krake fertig mit der Melodie, dann wird

ihm auffallen, dass er mit uns gar nichts anfangen kann, dann wird er uns schon laufen lassen.“ Spricht der Käpt´n und hustet, weil der Krakenarm ihm die Luft abschnürt.

 

Der Krake hält inne und dreht sich zum Käpt´n um. Er schaut ihn böse an.

„Weißt du eigentlich, du Kulturbanausenpirat, dass man während eines Melodievortrags nicht hustet, sich die Nase putzt, oder Krabben pult? Mhm? Weißt du das?“

 

Der Käpt´n zappelt vor Schreck, aber Lasse nimmt seinen ganzen Mut zusammen und antwortet: „Lieber Herr Krake, wenn sie doch in Ruhe musizieren wollen, und das können sie ja nun ganz vortrefflich, dann wäre es doch das Einfachste, sie ließen uns sozusagen ganz einfach... frei?“

„Oh?“ der Krake ist erstaunt „Was hast du doch für eine vornehme Ausdrucksweise, mein Sohn? Das will mir wohl gar gut gefallen.“

 

„Wir möchten auch nicht mehr in die Höhle einziehen, denn die ist ja schon belegt.“

Lasse wird nun ganz schön mutig und versucht, den Kraken in ein Gespräch zu verwickeln. „Wie lange bleiben denn die Bewohner der Höhle so?“ Will er wissen.

„Nun, im allgemeinen bleiben die solange, bis sie ganz friedlich sind. Noch was?“, fragt der Krake ungeduldig.

 

Opa und der Käpt´n haben im gleichen Moment die gleiche Idee.

„Hühnerbein wird mitsamt seiner Mannschaft in der Höhle verschimmeln!“, flüstern sie.

 

„Hat die Höhle einen zweiten Ausgang?“ bohrt Lasse nach.

 

„Nein, die Höhle hat keinen zweiten Ausgang. Alle Mieter bleiben solange, bis man nichts mehr von ihnen hört, das ist so, seit ich denken kann und meine Vorkraken hier lebten.

In der Höhle ist es dunkel und feucht.“ Langsam wird der Krake ungeduldig.

„Noch was?“

„Woher hast du denn all die Schlüssel?"

Fragt Lasse. Opa und der Käpt´n schauen sich an und ziehen die Augenbrauen hoch.

Jetzt wird es spannend.

 

„Der letzte Besucher dieser Insel, und das ist schon wirklich sehr, sehr lange her, müsst ihr wissen, wollte diese Röhrchen hier, die ihr Schlüssel nennt, in der Höhle verstecken,. Das hat mir aber nicht gefallen, weil man auf ihnen so schön Musik machen kann, also habe ich sie allesamt wieder heraus geholt.“

Der Krake setzt seine Gefangenen auf den Boden, hält sie aber immer noch fest. „Was soll ich nur mit euch machen?“ fragt er sich.

"Schmeckt ihr zum Abendessen? Es wird bald Zeit....“ Er schmatzt und denkt kurz nach. „Eine gute Idee, ich hab euch drei für heute Abend und in der Höhle sind einhundertelf und einer mit einem seltsamen Bein."

Er atmet ein und schmatzt genussvoll.

"Das reicht für ....mhm... zwei Wochen Suppe mit fetter Einlage.“

 

„Es ist noch keine Zeit zum Abendessen!“ ruft Lasse. „Die Sonne steht noch viel zu hoch!“

„Das stimmt“ grunzt der Krake. „Aber ihr geht mir auch langsam auf den Nerv mit eurem Gequatsche.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Weißt du was, fragt Lasse den Kraken „man kann Musik auch wunderbar zu zweit machen. Dabei vergeht die Zeit bis zum Abend wie im Fluge. Wir musizieren im Duett. Ich zeig es Dir!“

„Duett? Was ist das?“ der Krake scheint nachzudenken. “Duett!? Das klingt nett!

Nun gut, aber wehe, du versuchst mich reinzulegen, dann verputze ich dich als allererstes!“ Er setzt Lasse vor dem Schlüsselkreis ab.

„Nun, wie geht ein Duett?“ Will er wissen.

 

„Warte, so geht das!“ Lasse beugt sich herunter, bis er mit dem Mund die ersten Schlüsselröhrchen berührt. Sanft bläst er in das erste hinein. Dann bläst er eine Reihe von Schlüsseln hintereinander an und es klingt, als würde der Wind zu träumen beginnen.

„Mach einfach mit!“ ruft Lasse zwischen zwei Tönen.

 

Der Krake schließt die Augen und hört eine Weile zu. Dann fängt er an, mit seinen langen Krakenarmen Luft über die anderen Röhrchen zu wedeln.

Zusammen mit der Melodie von Lasse erklingen so viele Töne gemeinsam zu einer wundersamen Weise, dass selbst Opa und der Käpt´n die Gefahr vergessen, in der sie sich befinden.

Sie träumen davon, auf einem großen Schiff zu segeln, mit Goldschätzen an Bord und schönen Frauen unter Deck.

Sie träumen von goldenen Stränden und Perlen und Juwelen, die so groß sind wie Hühnereier. Von Tischen voller köstlicher Früchte und duftendem Gebäck. Sehnsüchtig schauen sie sich an. Dann blicken sie auf Lasse und den Kraken und merken, dass Lasse immer schneller und schneller die Töne anbläst.

Der Krake kommt kaum noch nach und mit einem Mal lässt er Opa Krausbart und den Käpt´n einfach stehen und benutzt den letzten freien Arm, um seine Melodie zu einem gewaltigen Crescendo zu führen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lasse ist schon völlig außer Atem und wedelt mit einem Arm den beiden anderen zu und zeigt auf die Felswand mit den Stufen.

Opa und der Käpt´n bleiben aber wie angewurzelt stehen. Sie winken Lasse zu, aber der sitzt im Blickfeld des Kraken, der nun soeben die Augen schließt, alle Arme in die Luft reckt und zugleich hernieder wirbelt.

 

Lasse nutzt seine Chance, springt blitzschnell auf, so dass Ansgar fast von seiner Mütze fällt und hechtet hinter Opa und dem Käpt´n her, die bereits die ersten Stufen der Felswand erklommen haben.

So schnell sie können, stolpern die beiden Alten voran, gefolgt von Lasse, der von den anderen unbemerkt einen kurzen Moment vor der versperrten Türe innehält, um dann mit flinken Füßen drei Stufen auf einmal nehmend die Felswand zu ersteigen.

 

„Ach was war das ein schönes... wie heißt es... Duett?“ Der Krake schaut selig in die Luft und seufzt. „Mein Junge, das war so schön. Ich danke dir...dafür freß ich dich auch als letzten.“ Er grinst und öffnet die Augen. Erstaunt blickt er auf die Stelle, and der Lasse eben noch gesessen hatte.

„Was?“ gröhlt er mit tiefer Stimme. „Wo seid ihr?

Ihr habt mich reingelegt! Das war nicht nett!“

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