zurück oder voraus

5. Kanonendonner

Auf der "Hühnergeier" steht der Pirat Hühnerbein am Ruder und ruft seiner Mannschaft Kommandos zu.

„Beide Kanonen am Vorderdeck in Position! Laden und auf meinen Befehl feuern!“

 

Einhundertelf blau und weiß gestreifte Piraten hören auf sein Kommando. Laut gröhlend poltern sie über das Schiff und öffnen die Klappen der zwei größten Kanonen am Vorderdeck.

Schnaubend und zischend schiebt sich das große Schiff unaufhaltsam in Richtung der Windjauler, die die Krausbarts soeben vom Strand ins Wasser schieben.

 

Hühnerbein hebt das Fernrohr ans Auge und blickt hindurch.

„Haha! Was seh ich denn da?“ freut er sich. „Die gesamte Krausbartmannschaft in völliger Panik durcheinander laufend auf ihrer kleinen Nussschale?“

 

Er schaut auf den Kompass und hebt dann ein großes Sprechrohr an den Mund, um besonders laut brüllen zu können. „Fock und Bramsegel hissen! Volle Kraft Voraus!“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Ai Ai“ ruft seine Mannschaft zurück und setzt die beiden fehlenden Segel.

Das gewaltige Schiff nimmt noch mehr Fahrt auf und schiebt

eine riesige Bugwelle vor sich her.

 

„Gleich hab ich euch und das geheime Schatzinselbuch des Tiefen Meeres gehört für immer....mir!“ Hühnerbeins Stimme zittert vor Erregung.

 

Ein riesiger Donnerknall ertönt. Mit lautem Pfeifen und Zischen rauscht eine dicke Kanonenkugel aus schwarzem Eisen auf die Windjauler zu und schlägt dicht neben ihrem Bug ins Wasser ein. Peng! Und noch eine! Peng!

Es kracht und klatscht und Wasser spritzt über die Windjauler und ihre Besatzung.

 

"Die schießen ja wirklich! Volle Deckung!" Lasse zieht sich seine Mütze bis über die Ohren und steckt noch die Finger hinein.

 

Opa Krausbart greift nach dem Tau am Hauptsegel. „Ich übernehme das Kommando!" "Achtung!! Segel runterhängen lassen, Anker raufziehen! Wir fahren ab!“

Er dreht sich Käpt´n Krausbart und hebt bedeutungsvoll den Zeigefinger.

„Und zwar alle Segel!“

 

„Alle Segel?“ der Käpt´n rümpft die Nase „Auch das Notsegel?“

 

„Jawoll! Alle Segel heißt alle Segel, du hirnverbrannte Sandkrabbe! Auch das Notsegel!“

Opa Krausbart lässt das Hauptsegel herunter und Lasse Eisenhammer zieht schon mal das kleine Focksegel herauf.

 

Der Käpt´n öffnet das Fass mit dem Notsegel.

Das Notsegel ist ein ganz besonderes Segel und befindet sich aus ganz besonderen Gründen immer und jeden Tag in einem Fass mit stabilem Deckel.

 

Das Fass darf nur geöffnet werden, wenn Opa Krausbart es anordnet. Das hat der Käpt´n am ersten Tag dem neuen Piratenlehrling Lasse gleich erklärt.

Lasse hatte zwar schon einmal versucht, hineinzuschauen, aber es war ihm nicht gelungen, den Deckel auch nur einen Spalt anzuheben. Mit großen Augen sieht er nun zu, wie der Käpt´n mit ein paar raschen Handbewegungen kraftvoll den Deckel einen Spalt anhebt.

Und jetzt weiß Lasse, warum der Deckel immer auf dem Fass sein muss.

Er hält sich die Nase zu und muss sich konzentrieren, um sich nicht zu übergeben.

 

Das Notsegel macht seinem Namen wirklich

alle Ehre, denn es wurde einmal von

Ururopa Eduard Krausbart, also dem Vater

von Opa Krausbart, in allergrößter Not aus

sämtlichen alten Socken seiner

Mannschaft hergestellt, um ordentlich

Wind einfangen zu können.

Und da alte Piratensocken stinken

wie verschimmelte Stockfische oder

manchmal sogar noch schlimmer, stinkt

auch das Segel.

In sehr kurzem Abstand kann einem schon

mächtig übel werden von dem Gestank.

Man könnte das Segel sogar als echt

gefährlich bezeichnen.

 

Der Käpt´n zieht das Notsegel an der

stinkenden Leine, die ebenfalls dazu

gehört, hoch.

Alle drei Segel sind nun gleichzeitig

gesetzt und flattern im Wind.

 

Ein Ruck erfasst die Windjauler und das kleine Schiff wird mit einem gewaltigen Satz davon gerissen. Leider nicht in Richtung eines Fluchtwegs oder des offenen Meeres.

Da der Wind vom Land kommt, treibt er die Windjauler mitsamt seiner zitternden Mannschaft genau auf die Hühnergeier zu.

Nur noch wenige Seemeter trennen die beiden Schiffe. Wenn jetzt eine Kanonenkugel abgefeuert wird auf der Hühnergeier, dann wird die Windjauler und alles, was auf ihr ist, zerfetzt!

Die Kanoniere der Hühnergeier sind bereits dabei, alle Kanonen auf der Schiffsseite zu laden, an der die Windjauler gerade entlang treibt.

 

Die Windjauler ist ein Spielball von Wind und Wellen geworden. Schon wird das kleine

Schiff von der Bugwelle der übermächtigen Hühnergeier erfasst, an die Seite des großen Schiffs heran gerissen, und treibt auf dem Schaum der Wellenkrone ganz dicht an der Hühnergeier entlang. So tief können die Kanoniere der Hühnergeier nicht zielen.

 

Einhundertelf Piraten und Käpt´n Hühnerbein schauen über die Reling und müssen zusehen, wie die Windjauler mit wenigen Seezentimetern Abstand unterhalb ihrer geladenen Kanonen an ihnen vorbei treibt. Die grausigen Piraten der Hühnergeiermannschaft versuchen noch, die Windjauler mit Enterseilen einzufangen, aber das kleine Schiff treibt so schnell unter ihnen vorbei, dass sie es nicht erwischen können.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit einem dicken Wasserschwall verschwindet die Windjauler am Heck der Hühnergeier und entfernt sich in Windeseile. Hühnerbein und seine Mannschaft stoßen wilde Piratenflüche aus und versuchen, ihr Schiff zu wenden.

 

„Habt ihr das gesehen, Käpt´n Hühnerbein?“

Fragt der erste Maat der Hühnergeier.

„Die haben ihren Ruderstand abgeschlossen,

da hängt eine dicke Kette drum!“

 

 

           „Ja....“, grinst Hühnerbein.

           „Habe ich. Die erwischen wir

            noch vor Sonnenuntergang!“

 

 

 

 

Auf der Windjauler herrscht helle Aufregung am Ruderstand. Lasse ist inzwischen in den Ausguck geklettert und hält Ausschau, weil er am besten sehen kann.

„Hühnerbein versucht, zu wenden!“ ruft er nach unten.

 

„Na, das kann was dauern bei dem fetten Schiff, das er hat“ Opa Krausbart wischt sich den Schweiß von der Stirne. „Aber es hilft alles nichts, wir müssen die Kette vom Steuerrad abkriegen. Was hast du dir dabei bloß gedacht, Jungchen?“

„Naja,...“ murmelt der Käpt´n kleinlaut, „Immer wollt ihr beiden ans Ruder und ich bin doch hier der Käpt´n auf dem Schiff. Ich will auch mal lenken!“

 

Die Windjauler treibt aufs offene Meer hinaus.

Wind und Wellen schaukeln das kleine Schiff mal nach links, mal nach rechts und es wird zum Spielball der Wellen.

Die Mannschaft kann sich kaum auf den Beinen halten, denn einmal kommt der Wind von vorne, dann von der Seite und von hinten und wieder von vorne, weil das Ruder ja eingeklemmt ist durch die dicke Eisenkette und das Schiff daher, in etwa wie der Form einer Schraube nach, einen sehr merkwürdigen Kurs fährt.

 

Der Käpt´n steht am Steuerrad und sucht in der Tasche mit dem Loch nach dem Schlüssel.

„Man sollte dich drei bis vier mal Kiel holen!“ wettert Opa Krausbart „Und das alles nur, weil du mal wieder Chef sein wolltest.“

„Ich bin eben der Käpt´n hier auf dem Schiff!“ befleißigt sich der Käpt´n mitzuteilen. „und daher..“

„Und nichts daher!“ fällt ihm Opa Krausbart ins Wort. „Daher ist der Schlüssel weg!“

 

„Wir müssen zurück ans Ufer“ meint der Käpt´n „da irgendwo muss der Schlüssel ja sein. Wir krempeln die Hosenbeine hoch und suchen ihn.“

„Hosenbeine hochkrempeln reicht da wohl nicht“ Lasse hält sich bei dem wilden Seegang an der Reling fest. „Der ist bestimmt aus der Tasche mit dem Loch ins Wasser gefallen und liegt jetzt unten auf dem Meeresgrund. Da müssen wir schon tauchen!“

„Tauchen?!“ rufen Opa und der Käpt´n wie aus einem Mund und schauen Lasse entgeistert an.

„Ja“, meint Lasse „Wieso?“ Er kann ja nicht ahnen, dass weder der Käpt´n noch Opa Krausbart schwimmen können.

Da haben sich die beiden damals bei der Piratenprüfung einfach so durchgemogelt.

 

Eine riesige Welle schwappt über die Bordwand und lässt die Piraten für Sekunden in einem Wasserschwall verschwinden.

„Brrrrrrr!“ schüttelt sich der Käpt´n “Ich tauch jetzt mal lieber ab unter Deck und sehe nach, ob wir keinen plötzlichen Wasserschaden haben.“

Er klettert in die Kajüte hinunter und verschwindet.

Die nächste Welle erwischt Opa Krausbart, der nun völlig durchnässt versucht, das Hauptsegel so in den Wind zu halten, dass sie aus der Kurvenfahrt heraus kommen.

 

„Komm Lasse Eisenhammer und hilf mir, das Segel von Luv nach Lee zu schwingen!“ Opa Krausbart und Lasse schaffen es tatsächlich mit vereinten Kräften, das Segel immer so zu bewegen, dass die Windjauler endlich einen halbwegs geraden Kurs fährt.

„Gut gemacht, Lasse Eisenhammer! Gut gemacht!“ ruft Opa Krausbart in den Wind.

Auch der Käpt´n ist wieder an Deck und greift sich ein Tau.

Mit vereinten Kräften zerren sie an den Segel, was das Zeug hält.

Es scheint so, als wären sie zunächst gerettet, denn das große Schiff von Pirat Hühnerbein ist immer noch mit dem Wendemanöver beschäftigt.

 

Lasse hält die Leine vom Notsegel fest umklammert.

„Was will der blöde Hühnerbein eigentlich von uns?

Haben wir dem etwas getan?“

„Ach was! Von wegen getan!“

ruft Opa Krausbart

„Los rüber nach Backbrot mit der

Leine!“

Opa und Lasse ziehen gemeinsam

das Notsegel in den Wind.

 

Die Windjauler kommt nun langsam

auf einen Kurs von der Hühnergeier

weg.

 

 

 

 

„Der Hühnerbein will uns das geheime Schatzinselbuch abjagen!“

„Was für ein Buch?“ Lasse zieht fragend die Augenbrauen hoch.

 

„Na, das Schatzinselbuch eben,...“ Opa Krausbart atmet tief ein.

„In dem Buch sind sämtliche Schatzinseln des Tiefen Meeres verzeichnet.

Jede mit genauer Beschreibung des Schatzes und einer Angabe in Längen- und Breitengraden, wo man ihn findet.“

 

„Wow!“ ruft Lasse „Das ist ja toll! Sowas haben wir an Bord?“

„Ja, so was haben wir an Bord.“ Opa Krausbart seufzt. „Und Hühnerbein lässt uns keine Ruhe deswegen. Er glaubt, das Buch sei der Schlüssel zu ewigem Reichtum.“

 

Käpt´n Krausbart kratzt sich am Kopf. „Schlüssel?“ überlegt er. „Schlüssel? Mhm ... Da war doch was?“

„Der Schlüssel für das schwarze Schloß aus Eisen, hier an der Kette!“ ruft Lasse in den Wind.

Opa Krausbart schaut den Käpt´n an. „Bist du da endlich fündig geworden, in den Taschen deiner Hose, Jungchen?!“

 

Er schaut sich kurz um, ob Hühnerbein schon näher gekommen ist, aber zum Glück sieht er, wie die Hühnergeier soeben erst mit der Wende fertig geworden ist.

Dann formt er mit einer Hand einen halben Trichter und raunt dem Käpt´n zu: „Hold das Buch hoch! Mir ist was eingefallen, Jungchen!“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Käpt´n klettert in den Bauch des Schiffs hinunter und man hört ihn unten herum kramen. Kurze Zeit später kommt der Käpt´n mit einem dicken, ziemlich abgegriffen aussehendem Buch unter dem Arm zum Ruderstand hoch und legt es vorsichtig auf die Planken vor dem Steuerrad. "Alles total nass da unten, da musst du nachher tüchtig aufräumen, Lasse, Piratenlehrling! Hahaha!"

 

„So weißte was, Jungchen?“ Opa Krausbart hält dem Käpt´n die Leine vom Großsegel hin „Du darfst jetzt mal lenken, und zwar gewaltig!

Und ich schaue nach, ob mir der Gedanke, den ich eben hatte, tatsächlich wahr erschien!“

 

„Ich darf an´s Ruder?“ der Käpt´n kann es kaum glauben „Ha!“

„Nicht Ruder, Segel und die Leine halten und immer schön von Luv und Lee den Wind einschießen lassen!“

 

Der Käpt´n guckt etwas bedrückt, hält aber den Mund, weil er ja weiß, dass er selbst das Steuerruder festgekettet hat.

 

 

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Wer war noch Hühnerbein?

Wir kriegen dich!

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Die Flucht vor

langen Messern